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Innovation, Kooperation, aber auch Eigeninitiative sind wichtige Triebfedern in der intermodalen Welt, denn durch sie können effiziente und nachhaltige Supply Chains gestaltet werden. Wann (und wie) sie sinnvoll eingesetzt werden können und welche intermodalen Lösungen in Supply Chains der Industrie bereits nutzbringend funktionieren, wurde anhand verschiedener Beispiele aus der Praxis bei der CombiNet-Tagung im November präsentiert.
Tailwind bietet stabile Frachtraten
Der Lebensmittelhändler Lidl zeigt zum Beispiel, wie man in der Logistik neue Wege gehen kann. Er ist nämlich längst nicht mehr nur Händler mit tausenden Filialen in Europa und den USA, sondern auch Gründer der hauseigenen Reederei Tailwind, die derzeit mit neun Schiffen zwischen Asien und Europa in beiden Richtungen unterwegs ist. „Unser Ziel ist, dass die Waren zuverlässig und pünktlich im Regal vorhanden sind“, erklärte Christian Steindl, Geschäftsführer der in diesem Jahr gegründeten Tailwind Intermodal GmbH mit Sitz im Cargo Center Graz. Als Reederei sieht man sich bescheiden in einer Nische agierend, aber doch dem hohen Anspruch nach Preisstabilität, Pünktlichkeit und Liefersicherheit folgend. Drittverlader auf den Lidl-Schiffe können mit mindestens einjährig stabilen Frachtraten kalkulieren, so Steindl.
89 Prozent Pünktlichkeit
Die Logistikkette möglichst von A bis Z selbst in der Hand zu haben, ist die Strategie von Lidl, und die beiden genannten Unternehmen sind Mittel auf dem Weg zu diesem Ziel. Auf den Schiffen werden 70 Prozent Lidl-eigene Ladung transportiert und die restlichen 30 Prozent werden Dritten neutral angeboten, so Steindl. Mit deutlich kleineren Schiffen im Vergleich zu den großen Kähnen der etablierten Reedereien kann Lidl kleinere Häfen in Europa anfahren, wie etwa Koper, Barcelona und im niederländischen Moerdijk.
Auf die aktuellen Störungen in den weltweiten Lieferketten reagiere man proaktiv, was in der Praxis heißt, dass die Schiffe nicht durch den Suez-Kanal fahren, sondern um Afrika herum, was bekanntlich eine längere Fahrzeit von 37 Tagen zur Folge hat. Das ist trotzdem kürzer als die 42 Tage, die große Reeder für das Routing brauchen. Lieferketten-Störungen schlagen auf die Pünktlichkeit durch, und Lidl schafft derzeit eine Pünktlichkeit von 89 Prozent gegenüber angeblichen 55 Prozent bei den Mitbewerbern, wie Steindl betonte.
Tailwind Intermodal
Mehrwert will Lidl nicht nur bei den hauseigenen Supply Chains, sondern auch gegenüber Dritten schaffen und daher sei man derzeit dabei, das Hinterland-Transportgeschäft kontinuierlich Richtung Zentral- und Südosteuropa weiter auszubauen, so Steindl. Gelingen soll das mit Partnern, Intermodal-Operateuren, Bahnen und anderen interessierten Akteuren in der Logistik-Branche. Kooperativ befrachtete Ganzzüge ab Koper zu Hinterland-Terminals kann man sich bei Lidl gut vorstellen. Tailwind Intermodal kümmert sich als Agent um Fracht. Als neutraler Bahn-Operateur werden für Spediteure Transporte zwischen Koper und Graz organisiert. Im Cargo Center Graz bietet Tailwind Intermodal neben dem Transport auch Terminalleistungen, Terminal-Trucking sowie Cross-Docking an. Anfang September startete Tailwind Intermodal zwischen Koper und dem CCG den „Panther-Shuttle“ mit neun bis zehn wöchentlichen Abfahrten. Ab 2025 sollen bei entsprechender Nachfrage die Frequenzen weiter erhöht werden.
Supply Chain neu aufsetzen
Logistisch neue Wege will auch der heimische OMV-Konzern im Rahmen seiner ReOil-Recycling-Offensive beschreiten. Stand bislang primär die Distribution der OMV-Produkte im Fokus, so will man künftig alle Supply Chains sowohl auf der Beschaffungs- als auch Distributionsseite neu aufsetzen und transparent gestalten, kündigte Andreas Taschner, der für die Logistik Verantwortliche bei der OMV, im Rahmen der CombiNet-Veranstaltung an. Dabei sucht man aktiv den Kontakt zu Logistikern und will deren Dienstleistungen im Rahmen strategischer Partnerschaften stärker nutzen.
Bauen ohne Plan
Was passieren kann, wenn man verständliche und notwendige Projekte unverständlich schlecht plant und kommuniziert, zeigt sich beispielhaft am großen Nachbarn Deutschland bzw. an der Deutschen Bahn. Dort sind unerlässliche Infrastruktur-Sanierungen im großen Stil geplant und Peter Westenberger, Geschäftsführer des Verbandes Netzwerk Güterbahnen Deutschland NEE, kommentierte die deutsche Vorgangsweise mit den Worten: „Planlos ging der Plan los.“ Das teilweise massiv überlastete und gleichzeitig sanierungsbedürftige 33.400 Kilometer lange DB-Streckennetz muss für viele Milliarden Euro fit gemacht werden. Warum ist das Vorhaben „planlos“? Weil man offenbar bei den deutschen Plan-Spielen wenig darüber nachgedacht hat, wie Verkehre etwa nach Österreich rollen sollen, wenn so wichtige Strecken ab Passau oder von Salzburg saniert und teilweise über Monate total gesperrt werden sollen.
Auf die Nachbarländer hat man offenbar bei den Planungen vergessen, wie Westenberger kritisch anmerkt. Nach Interventionen von österreichischer Seite hat man dann doch Lösungen gefunden, um Verkehre auf wichtigen grenzüberschreitenden Routen nicht gänzlich zum Erliegen zu bringen. Denn vor allem die Güterverkehre sind von den deutschen Baumaßnahmen massiv betroffen. Sie müssen umgeleitet werden – das verursacht für die Bahngesellschaften Mehrkosten, für die sie keine öffentliche finanzielle Kompensation erhalten, so Westenberger. Interessant klingt in diesem Zusammenhang das Kürzel SB2, das für „sperrpausenoptimiertes Bauen“ steht und das Kernelement der neuen Baulogik der Deutschen Bahn darstellt.