„Wir erwarten, dass die Regierung die Bahnindustrie als Schlüsselbranche der Mobilitätswende anerkennt“, sagt Diewald. (Foto: Stadler)
Sie fungieren seit Jahresbeginn als neuer Präsident des Verbands der Bahnindustrie Österreichs. Wie geht es der österreichischen Bahnindustrie in einem geopolitisch komplizierten Umfeld?
Die österreichische Bahnindustrie steht trotz geopolitischer Herausforderungen vergleichsweise stabil da. Globale Unsicherheiten und gestörte Lieferketten haben zwar auch Auswirkungen auf unsere Branche, doch haben unsere Unternehmen ihre Resilienz eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Insbesondere die hohe Exportquote von über 73 Prozent sowie die Innovationskraft der heimischen Unternehmen ermöglichen es, flexibel auf sich verändernde Marktbedingungen zu reagieren. Gleichzeitig stärkt die wachsende Bedeutung nachhaltiger Mobilität unsere Position als echte Klimaschutz- und Zu(g)kunftsindustrie. Denn eines ist klar: Die Bahn ist das modernste Massenverkehrsmittel der Zukunft. Nicht nur in Österreich wurde das erkannt – weltweit wird so viel in das System Bahn investiert wie nie zuvor. Die Weichen sind also eindeutig in Richtung Zu(g)kunft gestellt, und wir sind stolz, als Bahnindustrie unseren Beitrag dazu leisten zu können.
Welche Schwerpunkte werden Sie als Präsident setzen?
Wir wollen die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Bahnindustrie weiter stärken, sowohl durch Innovationen als auch durch die Förderung nachhaltiger Mobilitätslösungen. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Umsetzung eines echten Bestbieterprinzips im Vergaberecht. Was heißt das? Wir wünschen uns, dass mindestens 40 Prozent der Kriterien preisfremd sind, die Innovation und den langen Lifecycle sowie die hohen europäischen Produktions- und Qualitätsstandards honorieren. Zusätzlich setzen wir auf eine enge Zusammenarbeit mit der Politik, um die Dekarbonisierung des Verkehrs voranzutreiben und langfristige Investitionen in die Bahninfrastruktur zu sichern.
ÖBB-Chef Andreas Matthä bezeichnete die heimische Bahnindustrie wiederholt als eine „Siegerbranche“. Wie sieht die Zukunft der Sieger vor dem Hintergrund der laufenden Klima-Debatte eigentlich aus?
Die Bahnindustrie wird eine zentrale Rolle in der Klima-Debatte spielen. Als echte Klimaschutzindustrie trägt unsere Branche mit energieeffizienten Technologien und emissionsfreien Mobilitätslösungen maßgeblich zur Dekarbonisierung des Verkehrs bei. Innovation aus Österreich, wie etwa alternativ betriebene Züge – darunter Wasserstoffzüge, Akkulösungen und Hybridvarianten – sowie die zunehmende Digitalisierung, werden die Position der Branche weiter stärken.
Mit welchen Herausforderungen ist die Bahnindustrie aktuell konfrontiert?
Gestörte Lieferketten, hohe Rohstoffpreise und der globale Wettbewerbsdruck, insbesondere aus Asien, belasten die Branche. Auch die Umsetzung europäischer Regularien, wie das 4. Eisenbahnpaket, bleibt anspruchsvoll – sowohl für Betreiberunternehmen im Schienenverkehr als auch für die ihnen zuliefernde Bahnindustrie.
Wie kann die heimische Bahnindustrie ihre Technologieführerschaft gegenüber chinesischen Produkten verteidigen?
Die Technologieführerschaft sichern wir durch kontinuierliche Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie durch höchste Qualitätsstandards. In Österreich sind derartige Investitionen anteilsmäßig höher als irgendwo sonst auf der Welt. Diese Innovationskraft resultiert in unserer weltweiten Spitzenposition bei Patenten und Forschungsausgaben. Gleichzeitig ist es wichtig, faire Wettbewerbsbedingungen zu schaffen, etwa durch Anti-Dumping-Maßnahmen auf EU-Ebene. Verpflichtende europäische Wertschöpfungskriterien von mindestens 50 Prozent wären ein Anfang. Bei Nichterfüllung sollte klar sein, dass ein Angebot nicht zugelassen wird.
Welche politische Unterstützung erwartet sich Ihre Branche von der neuen Bundesregierung?
Wir erwarten, dass die Bundesregierung die Bahnindustrie als Schlüsselbranche für die Mobilitätswende anerkennt und gezielt fördert. Dazu gehören eine konsequente Umsetzung des Bestbieterprinzips, langfristige Investitionen in Infrastrukturprojekte, Unterstützung bei F&E-Initiativen sowie die Sicherstellung fairer Wettbewerbsbedingungen auf nationaler und europäischer Ebene. Ein klares Bekenntnis zum „Buy European“ ist ebenfalls von großer Bedeutung.
War die bisherige europäische Bahnliberalisierung der heimischen Bahnindustrie zuträglich?
Die europäische Bahnliberalisierung hat zu mehr Wettbewerb und Innovationen geführt, wovon auch die österreichische Bahnindustrie profitiert hat. Insbesondere im Bereich des Güterverkehrs und bei grenzüberschreitenden Diensten wurden neue Marktchancen geschaffen. Gleichzeitig hat die Harmonisierung technischer Standards den Marktzugang erleichtert und die Interoperabilität verbessert. Allerdings ist klar, dass wir erst am Anfang stehen und es noch ein weiter Weg ist, bis die Harmonisierung vollständig vollzogen ist.
Letzte Frage: Wie oft fahren Sie eigentlich mit der Bahn?
Als Präsident des Verbands und überzeugter Verfechter nachhaltiger Mobilität nutze ich die Bahn regelmäßig für berufliche und private Reisen. Sie ist nicht nur das unübertroffen effizienteste Verkehrsmittel überhaupt, sondern leistet auch einen sehr wichtigen Beitrag zum Klimaschutz.