„Für 2025 erwarten wir eine weiterhin verhaltene Wirtschaftsentwicklung“, sagt Clemens Först. (Foto: ÖBB RCG / Payr)
Autor: Josef Müller
Wie hat sich 2024 für die ÖBB Rail Cargo Group entwickelt?
2024 war geprägt von Faktoren wie der industriellen Rezession und den Folgen der Hochwasser-Katastrophe in weiten Teilen Österreichs. Ersteres hat uns nicht ausgebremst, letzteres jedoch schon: Der Schaden nach den Starkregenereignissen war enorm – nicht nur an der Schieneninfrastruktur, sondern auch beim Mengenaufkommen. Zu Beginn mussten über 1.000 Züge storniert werden. Das wird leider unsere Bilanz verregnen. Wir haben 2024 intensiv in ein attraktives Bahnlogistikangebot investiert, zum Beispiel in unsere multimodalen Transporte. Unseren Kurs wollen wir auch in den kommenden Jahren mit voller Energie fortsetzen – sei es mit Innovationen, Digitalisierung oder dem Ausbau unseres Produktangebots.
Auf welche Technologien setzt die RCG bei der Verlagerung von Gütertransporten von der Straße auf die Schiene?
Wir setzen auf Produktinnovation. Ein Beispiel dafür sind unsere TransFER-Verbindungen. Das sind intermodale und konventionelle Verkehre nach festen Fahrplänen, die unseren Kunden die Möglichkeit bieten, einzelne Container oder Wagen zu versenden. Das Thema multimodale Logistik spielt ebenfalls eine zunehmend bedeutende Rolle: Hier versuchen wir, Unternehmen als Kunden zu gewinnen, die keinen eigenen Gleisanschluss haben. Vor- und Nachlauf werden dabei mit dem Lkw abgewickelt. Für diese Verkehre haben wir eine strategische Kooperation mit Transporeon geschlossen: Die Plattform für Straßentransporte bietet mit uns erstmals auch den Transport mit dem Güterzug an. Dank dieser Partnerschaft war es in Europa noch nie so einfach, Lkw-Verkehre auf die Schiene zu verlagern. Dafür haben wir 2024 sogar den Österreichischen Logistikpreis sowie den international renommierten Supply Chain Excellence Award gewonnen. Zusätzlich setzen wir seit Jahren stark auf Digitalisierung. Unsere digitale Logistikplattform MIKE bietet eine Vielzahl an Services rund um den Warentransport – sowohl für unsere Mitarbeiter als auch für unsere Kunden.
Wo ist die RCG derzeit in Eigentraktion unterwegs?
In 14 Ländern sind wir in Eigentraktion unterwegs. Neben unseren Heimmärkten Österreich und Ungarn zählen auch Länder wie Rumänien, Tschechien, Kroatien und Deutschland bereits länger zu unserem Einzugsbereich. In Serbien sind wir seit 2023 erstmals außerhalb der EU mit eigenen Loks und Personal unterwegs. Durch die Übernahme der Captrain Netherlands im vergangenen Jahr haben wir unsere Eigentraktion auf die Benelux-Staaten ausgeweitet und docken so direkt an die Nordhäfen an.
Wie entwickeln sich die RCG-Verkehre Richtung Türkei und durch welche Länder wird dorthin traktioniert?
Unsere Verkehre in die Türkei laufen über zentrale Transitländer wie Österreich, Ungarn, Rumänien und Bulgarien. Wichtige Drehkreuze sind unsere Hubs in Budapest und Curtici, die nahtlose Verbindungen in Richtung Deutschland, Benelux und Großbritannien ermöglichen. Gleichzeitig spielt die Türkei eine strategische Rolle als Bindeglied für den Mittelkorridor, der Europa mit Zentralasien und China verbindet. Aktuell bieten wir vier Rundläufe pro Woche zwischen Istanbul und Budapest an, nächstes Jahr planen wir fünf.
Welchen Weg verfolgt die RCG bei der Waggonbewirtschaftung?
Wir setzen in der Waggonbewirtschaftung auf eine ausgewogene Kombination aus Standardisierung und maßgeschneiderten Lösungen. Unser Fokus liegt auf Wagenmaterial, das optimal auf die Logistikanforderungen unserer Kunden abgestimmt ist. Dabei nutzen wir sowohl multimodale Wagen- und Behälterkombinationen, wie beispielsweise den Mobiler, mit dem wir Straße und Schiene optimal kombinieren. Spezialgüterwagen verwenden wir dort, wo es wirtschaftlich und operativ sinnvoll erscheint.
Welche Pläne haben Sie für 2025 in Österreich und Europa auf dem Radar?
Für 2025 erwarten wir eine weiterhin verhaltene Wirtschaftsentwicklung, aber auch Chancen. Das Kundensegment, das wir in der RCG in den kommenden Jahren noch stärker ansprechen wollen, sind mittelständische Kunden, die Sendungsgrößen von einem Container bis hin zu einer Wagengruppe haben. Ihnen wollen wir attraktive integrierte Tür-zu-Tür-Lösungen von der ersten bis zur letzten Meile anbieten. Das kann intermodal geschehen oder auch als konventioneller Transport mit Umladung auf einen Lkw im Vor- und Nachlauf. Der Kunde muss dabei nicht zwingend einen eigenen Bahnanschluss haben. Unsere Vision bleibt klar: Wir sind das nachhaltige logistische Rückgrat der europäischen Wirtschaft. Wir investieren in die Zukunft des Schienengüterverkehrs, um das gesamte System grundlegend zu transformieren.