Nachdem zuletzt auch die Türkei die Schließung ihrer Grenzen verkündet hat, stecken nun viele bulgarische Transportfahrzeuge in einer über dreißig Kilometer langen Schlange am bulgarisch-türkischen Grenzübergang Kapitan Andreevo fest.
Fotos: Stier
Es ist erst einige Monate her, dass die bulgarischen Fuhrunternehmer die Frage erregte, ob das EU-Mobilitätspaket 1 ihren Chauffeuren verbietet, in der Fahrerkabine zu übernachten. Und erst vor drei Wochen forderten sie die Verschiebung der zum 1. März 2020 vorgesehenen Inbetriebnahme des von der österreichischen Firma Kapsch TrafficCom installierten elektronischen Mautsystems. Aus heutiger Sicht erscheinen diese erbittert geführten Kontroversen wie aus einer anderen Welt. Die Probleme, mit denen sich die bulgarischen Transporteure heute konfrontiert sehen, hätten sie vor einer Woche noch gar nicht für möglich gehalten.
Das Coronavirus hat das europäische Verkehrsnetz zerrissen und droht die internationalen Lieferketten zu zerrütten. Mit am stärksten davon betroffen ist Bulgarien in seiner geostrategischen Brückenposition zwischen Westeuropa und dem Nahen Osten. Als Bulgariens Ministerpräsident Bojko Borissow am Freitag, dem 13. März 2020 den Ausnahmezustand über das Balkanland verhängte, stürmten viele Bulgaren die Supermärkte, um langlebige Lebensmittel und Toilettenpapier zu hamstern. Hamsterkäufe seien nicht notwendig, die Versorgung der Bevölkerung mit den Waren des täglichen Bedarfs sei sichergestellt, beteuerte daraufhin die Regierung. Doch mit jedem Tag neuer Grenzschließungen in Europa erscheinen solche Beteuerungen immer fragwürdiger. Wie kann die Bestückung der Regale in den Geschäften mit großenteils im Ausland hergestellten Waren gewährleistet sein, wenn es für bulgarische und ausländische Fuhrunternehmen in Europa immer schwieriger wird, quasi geschlossene Grenzübergänge zu passieren, um nach Bulgarien zu gelangen?
Vor einigen Tagen kehrten zwei Dutzend bulgarische Lkw im Konvoi nach Bulgarien zurück, die zuvor drei Tage lang an der italienisch-slowenischen Grenze gestrandet waren. Heimgekehrt aus einer sogenannten Corona-Krisenregion wurden ihren Chauffeuren erstmal eine zweiwöchige Quarantäne auferlegt. Nachdem zuletzt auch die Türkei die Schließung ihrer Grenzen verkündet hat, stecken nun viele bulgarische Transportfahrzeuge in einer über dreißig Kilometer langen Schlange am bulgarisch-türkischen Grenzübergang Kapitan Andreevo fest. Rumänien hat für einen Zeitraum von dreißig Tagen sechs kleinere Grenzübergänge zu Bulgarien geschlossen, so dass sich der bulgarisch-rumänische Gütergrenzverkehr an den Donaubrücken 1 bei Vidin und 2 bei Russe kilometerweit staut.
Lange Lkw-Schlangen gibt es zudem an den Grenzübergängen Kulata nach Griechenland und Kalotina nach Serbien. „Bulgarien unterstüzt die Maßnahmen zur Verringerung des Personenverkehrs”, sagte Bulgariens Transportminister Rosen Zheljakow bei einer virtuellen Konferenz der EU-Verkehrsminister am vergangenen Mittwoch. Doch sei es wichtig, „dass wir die nationalen Volkswirtschaften und den Europäischen Binnenmarkt schützen. Für Bulgarien, das sich am Kreuzungspunkt zwischen Europa, Asien und dem Nahen Osten befindet, ist es wichtig, dass die Güterlieferungen und der freie Transit durch die Türkei in den Nahen Osten garantiert wird. Wir denken, um die unerwarteten Störungen der Warenflüsse durch Grenzübergänge zu vermeiden, ist es notwendig, dass die EU-Mitgliedsstaaten von ihnen geplante, den Güterverkehr betreffende Maßnahmen in vernünftiger Frist vorher bekanntgeben”, sagte er seinen Amtskollegen. Er bat sie, zu prüfen, ob auch Transportfahrzeugen von bis zu 3,5 Tonnen Gewicht Grenzüberquerungen ermöglicht werden und Wochenendverbote für den Gütervekehr aufgehoben werden könnten.