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Der Modalsplit ist über viele Jahre hinweg gleich geblieben, was bedeutet, dass der Zuwachs im Warentransport sowohl von der Straße als auch von der Schiene getragen wird, wobei der Straßentransport stärker wächst als der auf der Schiene. Die Gründe hierfür sind vielfältig: Zum einen wird der Straßentransport politisch unterstützt, ohne ihn im Sinne der Kostenwahrheit zu verteuern. Zum anderen ist der Versand von Gütern mit der Bahn nach wie vor umständlich und zeitintensiv.
Zukunft des Cargo-Verkehrs
Einen Blick in die Zukunft der Bahnlogistik warf die Forschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) beim 23. Eisenbahnkolloquium der Österreichischen Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft (ÖVG). Joachim Winter, Forscher beim DLR, stellte dort das Projekt „Next Generation Train (NGT)“ vor. Dafür wurden drei Varianten untersucht: der NGT HAST (ein Ultrahochgeschwindigkeitszug mit 400 km/h) und der NGT Link (ein Zubringer mit 250 km/h) für den Personenverkehr sowie der NGT Cargo (ein automatisch fahrender Triebwagengüterzug) für den Güterverkehr.
Der NGT Cargo besteht aus zehn Waggons mit jeweils vier angetriebenen Radsätzen. Die Züge sind als Doppelstockgarnituren ausgelegt: Oben werden Paletten und kleine Transportgefäße eingeladen, unten größere. Auch der Güterumschlag erfolgt vollautomatisch. An einem Hub werden die Einzelteile des Zugs zusammengefügt. Mit einer Länge von 3×250 Metern entspricht der Zug den heutigen Maximallängen. Am Ziel-Hub werden die Einzelteile getrennt und die Güter in die urbanen Zonen weiter verteilt. In den Terminals sorgt ein Regalsystem für die Vorkommissionierung; die Transportgefäße werden über Rollenbodensysteme zugeführt.
Am Umschlagbahnhof Kornwestheim (Baden-Württemberg) wurde dieses revolutionäre System bereits im Modell erprobt. Derzeit werden Fahrzeuge im Maßstab 1:1 gebaut. Für eine vollständige Realisierung ist jedoch ein Gesamtkonzept erforderlich.
Dank seines hohen Tempos würde der Gütertransport künftig den Hochgeschwindigkeits-Personenverkehr nicht mehr behindern. Ein Mischbetrieb wäre also weiterhin möglich.
Per Bahn in die Ferne
Das DLR befasst sich nicht nur mit neuen technischen Möglichkeiten, sondern auch mit interkontinentalen Schienentransporten. Die Seidenstraße nach Asien könnte mit dem NGT belebt werden, ebenso wie Transporte nach Afrika über den Nahen Osten und Ägypten. Laut Winter liegt der Vorteil des Systems in verbesserten Verschleißeigenschaften und Lebenszykluskosten. Der Güterverkehr würde durch dieses Konzept eine völlige Umgestaltung erfahren und könnte deutlich konkurrenzfähiger gegenüber der Straße werden. „Ein Lkw muss nach vier Stunden eine Stunde Pause einlegen. Der NGT kann eine Strecke schneller bewältigen“, betont Winter.
Heute sind die Transportzeiten bei einer Beförderungsgeschwindigkeit von durchschnittlich 18 km/h sehr lang. Unterschiedliche Bahnsysteme und ein hoher technischer Aufwand erschweren den Güterverkehr. Der Mehrwert des NGT liegt in der Digitalisierung, der Ladungsverfolgung, automatisierten Bremsproben und autonom fahrenden Einzelwagen. „Aktuell ist der Markt für Ganzzüge und marktaffine Güter gut, jedoch fehlt es an Attraktivität für Wachstumsbranchen wie Pakete und Lebensmittel“, so Winter. Was heute im Einzelwagenverkehr umständlich rangiert wird, könnte künftig im NGT versandt werden.
Timetable Redesign
Auf kürzere Sicht sind die Ziele deutlich bescheidener. RailNetEurope (RNE), ein Verband europäischer Schieneninfrastrukturbetreiber, hat die EU-Verordnung 913/2010 zur Schaffung eines wettbewerbsfähigen europäischen Schienennetzes evaluiert. „Der Modal Split hat sich in den Jahren seitdem nicht verändert“, sagt Elisabeth Hochhold, Head of Legal, HR & Sales bei RNE. „In einigen Ländern ging der Schienengüterverkehr sogar zurück.“ Trotz der Schaffung von elf Güterverkehrskorridoren seien die Zufriedenheit und die Vorteile bescheiden geblieben. Verbesserungen seien kaum messbar, die Benutzerfreundlichkeit nur begrenzt effektiv.
„Die Erfahrungen zeigen, dass ein neues marktorientiertes Kapazitätsplanungskonzept nötig ist“, sagt Hochhold. Deshalb erarbeitete der Eisenbahnsektor jahrelang ein „Timetable Redesign“. Es sieht eine langfristige Kapazitätsplanung für das europäische Bahnnetz vor, mit dem Ziel, die Trassenbuchung von derzeit acht bis 20 Monaten auf eins bis vier Monate zu verkürzen. Im Jahr 2023 wurde ein Entwurf für eine neue Verordnung durch die Kommission beschlossen, die voraussichtlich 2030/2031 anwendbar sein könnte.
ÖBB-Initiativen
Auf nationaler Ebene haben die ÖBB ein Prognose-Modell entwickelt und Qualitätskriterien definiert. Der Leiter des Asset-Managements bei der ÖBB-Infrastruktur, Christian Holzer, spricht von einem „Mischmaschinenprozess“, bei dem ein Gesamtoptimum durch einen integrierten Maßnahmenplanungs- und -steuerungsprozess angestrebt wird. Dennoch könne es immer zu Änderungen der Rahmenbedingungen kommen, so Holzer, und er zeigt ein Bild von der Flutkatastrophe im Vorjahr in Niederösterreich.